RGG-Musicals
GRIPS
Was ist GRIPS?
Das Kindertheater zog 1972 in das „Forum-Theater“ am Kurfürstendamm um. Da man nun nicht mehr in den Räumen des Reichskabaretts spielte, stand auch eine Namensänderung an. Ende Mai 1972 entschied man sich für den Namen GRIPS, der Spaß am Denken symbolisieren sollte.
Der Grafiker Jürgen Spohn schuf das Logo dazu: ein schwarzes Gesicht mit dicker Nase, das aus einem Karton hervorlugt, auf dem das Wort GRIPS steht.
Das Wort „Grips“ bedeutet in der norddeutschen Umgangssprache vor allem „schnelle Auffassungsgabe“, „wacher Verstand“.
Grips ist Vernunft mit Witz; es ist Denken, das Spaß macht.
Und „GRIPS ist noch mehr: Es steht für ein Theater, das nicht nur in Deutschland, sondern in der ganzen Welt einzigartig ist.“ (Die Zeit)
Begonnen hat GRIPS, angeregt durch die Studentenbewegung in den 1960er Jahren, mit einem für (West-)Deutschland völlig neuen, nämlich in der Gegenwart spielenden, realistischen Theater für Kinder. Heute spielt das GRIPS Theater gleichermaßen für Kinder, Jugendliche und Erwachsene. Es hat 85 Uraufführungen produziert, seine Stücke sind 1.800 Mal in 50 Ländern nachinszeniert worden.
GRIPS versucht, die Bedürfnisse, Probleme und Sehnsüchte seines Publikums zu erkennen, sich zu eigen zu machen und daraus sinnliche, vitale Stücke zu entwickeln, in denen die Zuschauer sich wiedererkennen und die ihnen helfen sollen, ihre soziale Phantasie zu entwickeln, ihre Umwelt besser zu durchschauen und zu verändern. GRIPS ist „populäres Theater“ im Sinne einer Beschreibung des Theatermachers Peter Brool: „Seinem Wesen nach anti-autoritär, anti-traditionell, anti-pomphaft und anti-präpentiös. Es ist ein Theater des Lärms, und das Theater des Lärms ist das Theater des Beifalls.“
Im GRIPS wird nicht brav applaudiert, sondern gejubelt, geweint, gelacht, getrampelt, gejohlt, gepfiffen und mitgesungen.
GRIPS ist, wenn das Publikum glücklich ist, sich selbst mit dem täglichen Ärger im Mittelpunkt zu sehen, für voll genommen zu werden, zu entdecken, dass es anderen nicht anders geht als einem selbst; und dass – so die Überschrift über allem, was GRIPS produziert – die Welt veränderbar ist.
Aus „GRIPS 1969-2009 – eine lückenreiche Chronik von Volker Ludewig“
Entstehung
Im Jahr 1966 entstand in Berlin das Theater für Kinder im „Reichskabarett“. Das „Reichskabarett“ war damals eine bekannte und erfolgreiche links gerichtete Kabarettgruppe. Der Mitbegründer und einer der Autoren der Reichskabarett-Gruppe war Volker Ludwig. Im Sommer 1966 begann man damit, an den Wochenenden Theater für Kinder aufzuführen. Zum Auftakt wurde das kabarettistisch bearbeitete Märchen „Der Teufel mit den drei goldenen Haaren“ gegeben.
Nach und nach entwickelte man weitere für Kinder aufbereitete Stücke, und immer mehr Aufführungen für Kinder fanden statt. Die Idee war, nicht nur Märchen auf die Bühne zu bringen, was in dieser Zeit das Standard-Theater für Kinder war. Es sollten vielmehr phantasievolle, eigens für Kinder geschriebene Stücke aufgeführt werden, die im Bühnengeschehen einen direkten Bezug zur jeweils aktuellen Welt der Kinder aufweisen.
Volker Ludwig und sein Bruder, der Karikaturist Rainer Hachfeld, schrieben 1968 das erste Kinderstück. Das vom Publikum viel beachtete Stück hieß „Die Reise nach Pitschepatsch.“
Im Jahr 1969 einigte man sich darauf, als Kindertheater gesellschaftskritischer zu werden. Daraus entstand das erste sozialkritische Kinderstück „Stokkerlok und Millipilli“, ebenfalls von Volker Ludwig und Rainer Hachfeld. Es war das erste Kinderstück des Ur-GRIPS Theaters. Laut der GRIPS Theater eigenen Kurzbiografie beginnt die Geschichte des Theaters 1969 mit diesem Stück. „Stokkerlok und Millipilli“ wurde zu einem großen Erfolg. Viele Bühnen Deutschlands führten es auf und auch im Ausland wurde es nachinszeniert. 1969 erhielt das Stück den „Brüder-Grimm-Preis des Landes Berlin“.
Das damals noch recht neue Konzept des „modernen Kindertheaters mit sozialkritischem Hintergrund“ wurde nicht von allen positiv aufgefasst. In den Anfängen musste sich das Theater großer Kritik stellen. So wurde oft darauf verwiesen, dass die Kinder in den Stücken des „Reichskabarett-Theaters für Kinder“ frech und respektlos gegenüber Erwachsenen waren. Dies galt zum Teil auch für den kabarettistisch erarbeiteten Struwwelpeter. Doch die Emanzipation der Kinder und auch das Hinweisen auf ihre Rechte war konzeptionell so beabsichtigt. Besonders im konservativen Lager stieß dies nicht immer auf Gegenliebe.
Das Ensemble des Kindertheaters befragte oft sein Publikum (also die Kinder und Jugendlichen), um herauszufinden, was sie momentan beschäftigt.
Die Rolle der Geschlechter (beispielsweise die typische Berufswahl der Mädchen: Hausfrau) in der Gesellschaft war ein großer Themenbereich. Dies griff die
Truppe in den 1970er Jahren verstärkt auf. So entstanden Stücke, die sich stark mit den Problemen der Geschlechterrollen beschäftigten.
Erste Theaterstücke für Jugendliche
Man hatte sich in der Vergangenheit eher auf Stücke für Kinder konzentriert. Doch auch die Probleme der Jugendlichen sollten Teil des Konzeptes werden. So entstand im Jahr 1975 das erste Theaterstück für Jugendliche mit dem Namen „Das hältste ja im Kopf nicht aus“.
Konflikte
Mit diesem Stück begann eine öffentliche politische Diskussion über das GRIPS Theater. So sprach die damalige Berliner CDU (seinerzeit in der Opposition) über das GRIPS Theater als „kommunistischen Kinderverderber“.
Auch in den Zeitungen des Springer-Verlages wurde das Theater damals stark angegriffen. Durch diese öffentlichen Diskussionen gab es einen interessanten Nebeneffekt für das GRIPS Theater – es war in aller Munde. Das GRIPS Theater wurde sehr bekannt. Das Publikum bescherte dem Haus fast allabendlich ausverkaufte Vorführungen.
Das Thema Hausbesetzer wurde 1981 im Jugendstück „Alles Plastik“ angeschnitten. Doch schon das reine Anschneiden dieses Themas reichte, um die Wogen der öffentlichen Diskussion (besonders im konservativen Lager) wieder aufsteigen zu lassen.
Stücke für Erwachsene
Im Jahr 1980 gab es dann ein Stück für Erwachsene: „Eine linke Geschichte“ ist ein kabarettistisch angelegtes Stück, in dem die Geschichte von drei Studenten nachgezeichnet wird, die von der Studentenbewegung und dem „Deutschen Herbst“ geprägt wurde.
Entsprechend der zeitgeschichtlichen Entwicklung wurde das Stück kontinuierlich fortgeschrieben und thematisierte so auch nachfolgende Ereignisse wie beispielsweise die deutsche Wiedervereinigung. Seit Herbst 2007 steht allerdings wieder die Urfassung von 1980 auf dem Spielplan.
GRIPS heute
Neben dem großen Theater in der Altonaer Straße besitzt das Haus seit 1992 noch eine sogenannte „Studio- und Probenbühne“. Bis 2009 wurden kleinere Inszenierungen noch in der Werkstatt des „Schillertheaters“ an der Bismarckstraße aufgeführt, doch seit 2009 befindet sich die zweite Spielstätte als „GRIPS Podewil“ im „Palais Podewils“ in der Klosterstraße. Pro Jahr veröffentlicht das GRIPS Theater meist vier neue Stücke. Es gibt rund 300 Vorstellungen im Jahr.
Nach dem Ausscheiden Volker Ludwigs aus der künstlerischen Leitung ab der Saison 2011/2012 ernannte er Stefan Fischer-Fels zu seinem Nachfolger, der zuvor am „Jungen Schauspiel Düsseldorf/Düsseldorfer Schauspielhaus“ gearbeitet hatte. 2015 einigten sich Ludwig und Fischer-Fels auf eine vorzeitige Beendigung des Vertrags.
Fischer-Fels wechselte zurück ans Düsseldorfer Schauspielhaus. Ludwig berief für die Zeit ab 2016/2017 den hausinternen Theaterpädagogen Philipp Harpain als den neuen künstlerischen Leiter des Kindertheaters. Philipp Harpain holt Andreas Joppich als ausführenden Geschäftsführer ans GRIPS Theater.
Gegen Ende der Spielsaison 2017 und an seinem 80. Geburtstag zog sich Ludwig auch aus der Geschäftsführung zurück. Die organisatorische Verantwortung für das GRIPS Theater wurde Philipp Harpain übertragen. Der Theaterkritiker Rüdiger Schaper würdigte Ludwig zum Abschied mit den Worten: „Berlin hat einiges an Welttheater hervorgebracht. Volker Ludwig und das Grips gehören dazu. […] Ein Wunder. Was für ein Glück, das miterlebt zu haben.“
Im Juni 2019 finden die Feierlichkeiten zum 50-jährigen Jubiläum ihren Höhepunkt in einem zweiwöchigen Festival mit einem Gala-Abend, einem internationalen Symposium, einem großen Fest auf dem Hansaplatz und mit Gastspielen aus Ägypten, Griechenland, Indien und Südkorea.
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